Erfolgreicher Muskelaufbau in und nach den Wechseljahren – eine Frage von Intensität und Regeneration
von Dr. Christine Lohr
Aktuelle Studien zeigen: Krafttraining mit hohen Gewichten, Sprintintervalle und plyometrisches Training fördern die Gesundheit und Leistungsfähigkeit aktiver Frauen ab der Lebensmitte.
Fakten
Ab Mitte 30 beträgt der Verlust an Muskelmasse bei Frauen und Männern etwa 3-8% pro Lebensjahrzehnt und nach dem 50. Lebensjahr ca. 5-10% (9).
Frauen verlieren bis zu 10% an fettfreier Muskelmasse in der Perimenopause
Dieser altersphysiologische Prozess wird bei Frauen mit dem Beginn der Perimenopause deutlich beschleunigt. Allein in diesen vier bis sieben Jahren vor der letzten Regelblutung ist ein Muskelabbau von bis zu 10% möglich(4).
Durch den fortschreitenden Abbau dieses stoffwechselaktiven Gewebes verändert sich auch die Körperzusammensetzung. Was bedeutet das? Es kommt zu einer Verschiebung der prozentualen Anteile von fettfreier Masse, Fettmasse und Körperwasser. Meist bemerken wir diese Veränderungen an einem Kraft- und Leistungsabfall, in der Regel begleitet von einer plötzlichen Zunahme des Bauchfetts, und dies trotz gleichbleibender Energiezufuhr und Trainingsbelastung.
Das gewohnte Training verliert zunehmend seine Wirkung – kurzum – die Trainingsgewohnheiten funktionieren nicht mehr wie gewohnt. Alles scheint aus dem Gleichgewicht zu geraten, oft begleitet von weiteren Symptomen wie diffusen Gelenk- und/oder Muskelschmerzen, Hitzewallungen, Stimmungsschwankungen und ungewollter Gewichtszunahme.
Was ist der Grund dafür – welche Rolle spielen die Sexualhormone?
Die beschriebenen Symptome hängen alle mit den hormonellen Veränderungen ab der Menopause zusammen. Wie bereits erwähnt, geht es in diesem Artikel um das Thema Muskelabbau.
Nach wie vor werden die weiblichen Sexualhormone häufig auf ihre reproduktiven Funktionen reduziert. Auch wenn die Rolle der weiblichen Sexualhormone im Muskelstoffwechsel bis heute nicht abschließend geklärt ist, steht außer Frage, dass die (körperliche) Leistungsfähigkeit einer Frau in direktem Zusammenhang mit den Sexualhormonen (Östrogen und Progesteron) steht.
Östrogen, genauer gesagt 17ß-Östradiol (E2), das wirksamste Östrogen beim Menschen, wirkt anabol (aufbauend) und fördert die Proteinsynthese. Fällt das Hormon in den Wechseljahren ab, fehlt der anabole Stimulus. Was bedeutet das für die Muskelfunktion? Östrogene regulieren bei Frauen die Muskelstammzellen (auch Satellitenzellen genannt) und tragen so zur Regeneration und zum Erhalt der Muskulatur bei(4).
Was sind das für Zellen und wo befinden sie sich?
Muskelstammzellen befinden sich zwischen den einzelnen Muskelfasern. Wird der Muskel geschädigt, zum Beispiel bei sportlicher Belastung, teilen sich die Zellen und beginnen innerhalb kurzer Zeit, das geschädigte Gewebe zu ersetzen. Sie sind maßgeblich an der besonderen Regenerationsfähigkeit dieses stoffwechselaktiven Gewebes beteiligt. Untersuchungen haben gezeigt, dass die Anzahl dieser Zellen in direktem Zusammenhang mit dem Östrogenspiegel steht: Sinkt der Östrogenspiegel in den Wechseljahren, nimmt auch die Anzahl der Muskelstammzellen ab, was die Trainingsadaptation vermindert, die Muskelregeneration erschwert und letztlich zum Muskelabbau beiträgt(1).
Neben dem Verlust an Muskelmasse nimmt auch die Fähigkeit ab, schnelle Faserkontraktionen, also starke Muskelkontraktionen, aufrechtzuerhalten. Dadurch verringert sich unsere Schnellkraft, also die Kraft, die wir in kurzer Zeit aufbringen können. Zur Kraft kommt also noch die Geschwindigkeit hinzu. Die Unterscheidung zwischen Maximalkraft und Schnellkraft ist in diesem Zusammenhang besonders wichtig: Maximalkraft beschreibt die größte Kraft, die unsere Muskeln und unser Nervensystem gegen einen Widerstand aufbringen können. Die Schnellkraft hingegen ergibt sich aus der Fähigkeit unseres neuromuskulären Systems, den eigenen Körper oder einen Gegenstand in kürzester Zeit mit maximaler Kraft zu beschleunigen.
Schnellkraft ist nicht nur in vielen Sportarten von großer Bedeutung, sondern auch im Alltag, da sie es uns ermöglicht, schnell und angemessen auf unvorhergesehene Ereignisse zu reagieren. Sie schützt uns damit vor Unfällen und ist daher auch im Alter von besonderer Bedeutung. Zudem konnte gezeigt werden, dass die Schnellkraft im Alter besonders schnell verloren geht(7).
Weitere Aufgaben der Östrogene
Östrogen spielt außerdem eine wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung der Insulinempfindlichkeit. Sinkt der Östrogenspiegel, nimmt auch die Insulinempfindlichkeit ab, mit der Folge, dass Glukose aus dem Blut nicht mehr so effektiv in die Muskelzellen geschleust werden kann. Deshalb ist der Blutzuckerspiegel bei Frauen ab den Wechseljahren häufig erhöht und das Risiko, an Diabetes zu erkranken, steigt(3). Östrogen ist auch ein natürlicher Entzündungsregulator. Nimmt das Hormon ab, kommt es zu einer verstärkten Entzündungsreaktion im Körper. Was bedeutet das? Jede Form von Stress, auch Sport, führt zu Entzündungsreaktionen. Durch den Hormonentzug sinkt die Anpassungs- und Regenerationsfähigkeit(5,10). Heute geht man auch davon aus, dass gerade diese zunehmenden Entzündungsreaktionen für die diffusen Muskel- und Gelenkschmerzen in der Perimenopause verantwortlich sind, von denen über 70% aller Frauen in den Wechseljahren betroffen sind(10).
Was bedeutet das für unser Training? Welche Trainingsmethoden sind geeignet, um Muskulatur und Körperzusammensetzung zu erhalten?
Die Trainingsroutine sollte weniger aus ausgedehnten Ausdauereinheiten bestehen, sondern mehr aus gezielten intensiven Kraft- und Sprinteinheiten. Aktuelle Studien zeigen, dass eine Kombination aus (1) intensivem Krafttraining, (2) Sprintintervalltraining und (3) plyometrischem Training entscheidend dazu beiträgt, Kraft, Muskelmasse und Knochengesundheit langfristig zu erhalten.
Was bedeutet das im Detail?
- Intensives Krafttraining
Hierbei handelt es sich weniger um ein klassisches submaximales/moderates Krafttraining, das auch als Hypertrophietraining bezeichnet wird, sondern um ein Training mit hohen Widerständen bei geringer Wiederholungszahl. Es konnte gezeigt werden, dass ein intensives Krafttraining über 12 Wochen die Anzahl der Satellitenzellen signifikant erhöht(8). Das bedeutet: Durch einen starken äußeren Trainingsreiz kann der anabole (abbauende) Prozess umgekehrt werden. Weiterhin trägt intensives Krafttraining zur Verbesserung des Fettstoffwechsels und der Knochenmineralisierung bei. Ferner leistet es einen wertvollen Beitrag zur Erhaltung der kardiovaskulären Gesundheit.
Beim Maximalkrafttraining werden drei bis sechs Sätze mit maximal sechs Wiederholungen pro Satz absolviert. Zwischen den Sätzen sollte eine Pause von 3 bis 5 Minuten eingelegt werden. Am besten trainiert man große Muskelgruppen, besonders geeignet sind komplexe Ganzkörperübungen.
Einige Beispiele:
- Kniebeugen (Squats)
- Kreuzheben (Deadlifts)
- Ausfallschritte (Lunges)
- Bankdrücken
Wichtig: Das Training sollte schrittweise und langsam aufgebaut werden, wobei das oberste Ziel die saubere Übungsausführung ist.
- Sprintintervalltraining (SIT)
Hochintensives Intervalltraining (HIIT) ist nachweislich eine effektive Trainingsmethode zur Verbesserung des Fettstoffwechsels und der Körperzusammensetzung. Darüber hinaus wird die Insulinsensitivität erhöht, was, wie beschrieben, für Frauen in und nach der Menopause von besonderer Bedeutung ist. Eine hochintensive Form des HIIT ist das Sprintintervalltraining (SIT). Die einzelnen Intervalle dauern ca. 20 bis 40 Sekunden und werden mit maximaler Intensität durchgeführt, gefolgt von einer Pause von rund 20 bis 30 Sekunden. Nach vier Intervallen folgt eine längere Pause von bis zu zwei Minuten. Dieses Training kannst du auf dem Ruderergometer, dem Laufband, dem Assault Bike oder mit Kettlebell Swings durchführen. Hast du Gelenkschmerzen? Dann verlagere dein Training ins Wasser – Anpassungen an die individuellen körperlichen Voraussetzungen sind wichtig und jederzeit möglich. Studien zeigen, dass hochintensive Trainingseinheiten zu einem Verlust an viszeraler Fettmasse führen können. Eine Kombination aus HIIT und Krafttraining hat sich für Frauen ab der Lebensmitte als besonders effektiv erwiesen(2).
Es ist wichtig, sich vorher gut aufzuwärmen und die Intensität langsam zu steigern, vor allem, wenn dieses Trainingsformat neu für dich ist. Die Muskulatur und der gesamte Sehnen- und Bandapparat müssen sich erst an die intensiven Belastungen gewöhnen.
- Plyometrisches Training
Plyometrisches Training ist jede Form von Sprungtraining, vom klassischen „Hampelmann“ über das Trampolinspringen bis zu Squatjumps. Eine systematische Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2019 über die neuesten Forschungsergebnisse zu dieser Trainingsmethode hat gezeigt, dass Plyometrie die Muskelkraft, die Knochengesundheit, die Körperzusammensetzung, die Haltungsstabilität und die körperliche Leistungsfähigkeit bei älteren Erwachsenen verbessert(6). Plyometrisches Training ist eine Belastung, die bei strategischer und intelligenter Anwendung jedes Mal Knochen, Muskeln und Bindegewebe stimuliert. Dieses Training der Krafterzeugung und -absorption bewirkt wichtige physiologische und genetische Veränderungen, die für Frauen mittleren Alters und in der Menopause von besonderer Bedeutung sind.
Die Plyometrie lässt sich leicht in den Trainingsplan integrieren. Der Zeitaufwand ist gering – bereits wenige Minuten mehrmals pro Woche setzen positive Trainingsreize.
Fazit
Die Leistungsfähigkeit der Frau steht in direktem Zusammenhang mit den Sexualhormonen. Die hormonellen Veränderungen ab der Perimenopause haben gravierende Auswirkungen auf den Muskelstoffwechsel, die Körperzusammensetzung, zudem beschleunigt der Hormonentzug den altersphysiologischen Muskelabbau. Diese Veränderungen führen zu Kraft- und Leistungseinbußen und erhöhen das Risiko für zahlreiche Folgeerkrankungen wie Diabetes und Osteoporose. Ab der Lebensmitte sollte der Fokus auf intensive Trainingsroutinen mit ausreichenden Regenerationszeiten gelegt werden. Ein Maximalkrafttraining in Kombination mit hochintensiven Sprinteinheiten und Plyometrie kann dem Muskelabbauprozess entgegenwirken und zur Verbesserung der Körperzusammensetzung beitragen.
Du hast Fragen oder wünschst dir professionelle Begleitung bei der Erstellung deines Trainingsplans?
Gerne berate und unterstütze ich dich auf deinem spannenden Weg.
Vereinbare jetzt ein unverbindliches Erstgespräch!
Schreib mir eine E-Mail: info@christinelohr.de oder ruf mich an: 0177 2039111
Quellen:
References
- Collins BC, Arpke RW, Larson AA, Baumann CW, Xie N, Cabelka CA, Nash NL, Juppi H-K, Laakkonen EK, Sipilä S, et al. Estrogen Regulates the Satellite Cell Compartment in Females. Cell Reports. 2019;28(2):368-381.e6. eng. doi:10.1016/j.celrep.2019.06.025.
- Dupuit M, Rance M, Morel C, Bouillon P, Pereira B, Bonnet A, Maillard F, Duclos M, Boisseau N. Moderate-Intensity Continuous Training or High-Intensity Interval Training with or without Resistance Training for Altering Body Composition in Postmenopausal Women. Med Sci Sports Exerc. 2020;52(3):736–745. eng. doi:10.1249/MSS.0000000000002162.
- Hevener AL, Zhou Z, Moore TM, Drew BG, Ribas V. The impact of ERα action on muscle metabolism and insulin sensitivity – Strong enough for a man, made for a woman. Mol Metab. 2018;15:20–34. eng. https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2212877818304538. doi:10.1016/j.molmet.2018.06.013.
- Ko J, Park Y-M. Menopause and the Loss of Skeletal Muscle Mass in Women. Iran J Public Health. 2021;50(2):413–414. eng. doi:10.18502/ijph.v50i2.5362.
- Paoli M de, Zakharia A, Werstuck GH. The Role of Estrogen in Insulin Resistance: A Review of Clinical and Preclinical Data. Am J Pathol. 2021;191(9):1490–1498. eng. doi:10.1016/j.ajpath.2021.05.011.
- Ramirez-Campillo R, Thapa RK, Afonso J, Perez-Castilla A, Bishop C, Byrne PJ, Granacher U. Effects of Plyometric Jump Training on the Reactive Strength Index in Healthy Individuals Across the Lifespan: A Systematic Review with Meta-analysis. Sports Med. 2023;53(5):1029–1053. eng. https://link.springer.com/article/10.1007/s40279-023-01825-0?fromPaywallRec=false. doi:10.1007/s40279-023-01825-0.
- Reid KF, Pasha E, Doros G, Clark DJ, Patten C, Phillips EM, Frontera WR, Fielding RA. Longitudinal decline of lower extremity muscle power in healthy and mobility-limited older adults: influence of muscle mass, strength, composition, neuromuscular activation and single fiber contractile properties. European Journal of Applied Physiology. 2014;114(1):29–39. eng. https://link.springer.com/article/10.1007/s00421-013-2728-2. doi:10.1007/s00421-013-2728-2.
- Verdijk LB, Snijders T, Drost M, Delhaas T, Kadi F, van Loon LJC. Satellite cells in human skeletal muscle; from birth to old age. Age (Dordr). 2014;36(2):545–547. eng. doi:10.1007/s11357-013-9583-2.
- Volpi E, Nazemi R, Fujita S. Muscle tissue changes with aging. Current Opinion in Clinical Nutrition and Metabolic Care. 2004;7(4):405–410. doi:10.1097/01.mco.0000134362.76653.b2.
- Wright VJ, Schwartzman JD, Itinoche R, Wittstein J. The musculoskeletal syndrome of menopause. Climacteric. 2024:1–7. eng. doi:10.1080/13697137.2024.2380363.