Beeinflusst hormonelle Verhütung den Nährstoffbedarf?

Okt. 24, 2025 | FemSportsHealth

von Dr. Christine Lohr

Orale Kontrazeptiva können den Bedarf an Mikronährstoffen verändern.

Hormonelle Verhütung zählt zu den am häufigsten verwendeten Methoden der Empfängnisregelung. Sie gilt als sicher und gut untersucht, beeinflusst jedoch mehr als nur den Hormonhaushalt. Über den Leberstoffwechsel wirken die enthaltenen Hormone auch auf Enzyme, Transportproteine und antioxidative Systeme. Dadurch kann sich langfristig der Bedarf an bestimmten Vitaminen und Mineralstoffen verändern. Besonders im Blick stehen Folat, Vitamin B12, Magnesium, Zink, Selen und Vitamin D – Nährstoffe, die zentrale Funktionen für Energie, Regeneration und hormonelle Balance erfüllen.

Hormonelle Verhütungsmittel gehören weltweit zu den am häufigsten eingesetzten Arzneimitteln. Schätzungen zufolge verwenden über 150 Millionen Frauen ein orales Kontrazeptivum6 . Die Präparate gelten als sicher und gut untersucht, doch selten wird thematisiert, dass sie über ihre hormonelle Wirkung hinaus auch den Stoffwechsel von Vitaminen und Mineralstoffen beeinflussen können.

Der Grund liegt im Wirkmechanismus:

Östrogene und Gestagene werden über die Leber verstoffwechselt und verändern dort verschiedene enzymatische Prozesse. Diese Anpassungen können langfristig den Nährstoffstatus beeinflussen – subtil, aber messbar. Besonders B-Vitamine, Magnesium, Zink, Selen und antioxidative Vitamine stehen im Fokus aktueller Forschung3,5.

Für sportlich aktive Frauen, die ohnehin einen höheren Energie- und Nährstoffumsatz haben, kann dieser Effekt zusätzlich an Bedeutung gewinnen. Eine adäquate Versorgung mit Proteinen und Mikronährstoffen ist daher nicht nur für die Leistungsfähigkeit, sondern auch für die hormonelle und metabolische Balance entscheidend.

Wie hormonelle Verhütung den Nährstoffhaushalt beeinflusst

Hormonelle Kontrazeptiva greifen tief in den Stoffwechsel ein. Die synthetischen Hormone – meist Ethinylestradiol und Gestagene – werden in der Leber verarbeitet. Dabei kommen Enzymsysteme zum Einsatz, die auch für viele andere Stoffwechselvorgänge zuständig sind2. Wird ihre Aktivität über längere Zeit verändert, kann sich das auf die Verfügbarkeit einzelner Vitamine und Mineralstoffe auswirken.

Zudem stimulieren Östrogene die Bildung verschiedener Transportproteine, etwa für Vitamin D oder Vitamin B12. Das kann dazu führen, dass im Blut zwar höhere Spiegel gemessen werden, die tatsächlich nutzbare Menge im Gewebe aber gleich bleibt. Parallel steigt unter hormoneller Verhütung häufig der oxidative Stress, also die Bildung freier Radikale, die Zellen und Gefäße belasten können8.

Was bedeutet das in der Praxis?

Einige Nährstoffe verdienen besondere Aufmerksamkeit:

  • Folat und Vitamin B12: Beide Vitamine unterstützen Zellteilung, Energieproduktion und Nervengesundheit. Unter oraler Verhütung wurden wiederholt leicht niedrigere Werte beobachtet1,10. Eine folatreiche Ernährung mit grünem Gemüse, Hülsenfrüchten und Vollkornprodukten ist hier besonders wichtig.

Infobox: Was ist Folat?

Folat ist die natürliche Form von Vitamin B9. Es umfasst eine Gruppe von Verbindungen, die in vielen Lebensmitteln vorkommen, vor allem in grünem Gemüse, Hülsenfrüchten, Vollkornprodukten und Zitrusfrüchten. Im Körper wird Folat in die aktive Form 5-Methyltetrahydrofolat (5-MTHF) umgewandelt, die gemeinsam mit Vitamin B12 an wichtigen Stoffwechselvorgängen beteiligt ist. Dazu zählen die DNA-Synthese, die Blutbildung und der Abbau von Homocystein, einer Substanz, die mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Verbindung gebracht wird.

Folsäure hingegen ist die synthetische Form von Vitamin B9, die in Nahrungsergänzungsmitteln oder angereicherten Lebensmitteln enthalten ist. Sie muss im Körper erst in die aktive Form umgewandelt werden. Dieser Schritt läuft nicht bei allen Menschen gleich effizient ab, da genetische Varianten – etwa im MTHFR-Gen – die Umwandlungsrate beeinflussen können.

Ein niedriger Folatstatus kann Müdigkeit, Konzentrationsprobleme oder eine Anämie begünstigen. Für Frauen mit Kinderwunsch ist eine ausreichende Versorgung besonders wichtig, da Folatmangel mit einem erhöhten Risiko für Neuralrohrdefekte beim Neugeborenen verbunden ist. Unter hormoneller Verhütung wurden in mehreren Studien leicht reduzierte Folatspiegel beschrieben.

  • Magnesium, Zink und Selen: Diese Spurenelemente sind an hunderten Enzymreaktionen beteiligt – von der Muskelarbeit bis zur antioxidativen Abwehr. Hormonelle Einflüsse können ihre Konzentrationen leicht verringern1,3. Für aktive Frauen, die zusätzlich über Transpiration Mineralstoffe verlieren, ist eine regelmäßige Zufuhr wichtig.
  • Antioxidative Vitamine C und E: Sie schützen Zellen vor oxidativem Stress, der unter hormoneller Verhütung leicht zunimmt4. Eine Ernährung mit reichlich Obst, Gemüse, Nüssen und hochwertigen Ölen deckt diesen Bedarf meist gut ab.
  • Vitamin D: Einige Studien zeigen bei kombinierten Präparaten höhere Vitamin-D-Spiegel, andere keinen Unterschied5,9. Ursache ist wahrscheinlich die östrogenbedingte Zunahme des Vitamin-D-Bindungsproteins. Maßgeblich bleibt daher die aktive Form und eine ausreichende Versorgung über Sonnenlicht und Ernährung.

Insgesamt zeigen die Daten, dass hormonelle Verhütung den Mikronährstoffbedarf leicht verändern kann. Die Effekte sind individuell unterschiedlich, werden aber durch Lebensstil, Ernährung und körperliche Aktivität messbar beeinflusst.

Protein als Basis des Mikronährstoffstoffwechsels

Eine ausreichende Eiweißzufuhr bildet die Grundlage vieler Stoffwechselprozesse; sie ist auch wichtig für die Verwertung von Vitaminen und Mineralstoffen. Zahlreiche Enzyme, die Vitamine aktivieren oder Spurenelemente transportieren, bestehen aus Proteinen. Fehlt es an Eiweiß, können Mikronährstoffe im Körper ihre Funktion nur eingeschränkt erfüllen.

Bei Frauen, die hormonell verhüten, gewinnt dieser Zusammenhang an Bedeutung. Östrogenhaltige Präparate beeinflussen die Aktivität bestimmter Leberenzyme, die am Aminosäurestoffwechsel beteiligt sind2. Gleichzeitig steigt durch oxidativen Stress der Bedarf an Enzymen, die freie Radikale abbauen; auch sie werden aus Aminosäuren gebildet3,8.

Eine proteinreiche Ernährung unterstützt daher nicht nur den Aufbau und Erhalt der Muskulatur; sie stärkt auch viele enzymatische Systeme, die Mikronährstoffe verwerten oder schützen. Hochwertige Eiweißquellen mit allen essenziellen Aminosäuren – etwa Eier, Milchprodukte, Fisch, Hülsenfrüchte oder Tofu – sind besonders empfehlenswert. Für sportlich aktive Frauen liegt die tägliche Zufuhr meist zwischen 1,4 und 2,2 g Protein pro Kilogramm Körpergewicht7,11,12, abhängig von Trainingsumfang und Zielsetzung.

Eine stabile Eiweißversorgung fördert die Regeneration, unterstützt den Hormonstoffwechsel und trägt dazu bei, den Nährstoffhaushalt insgesamt im Gleichgewicht zu halten.

Fazit

Die Wirkung hormoneller Verhütung beschränkt sich nicht auf den Zyklus; sie betrifft den gesamten Stoffwechsel und kann langfristig auch den Nährstoffhaushalt beeinflussen. Über Veränderungen im Leberstoffwechsel, in der Enzymaktivität und in Transportproteinen wird gesteuert, wie Vitamine und Mineralstoffe im Körper umgesetzt und genutzt werden. Die Effekte sind meist gering, können sich jedoch bei längerer Einnahme oder hoher körperlicher Belastung bemerkbar machen.

Besonders relevant sind Folat, Vitamin B12, Magnesium, Zink, Selen, Vitamin C, Vitamin E und Vitamin D. Diese Mikronährstoffe erfüllen zentrale Aufgaben, denn sie unterstützen die Energiegewinnung, die Immunabwehr und den Schutz vor oxidativem Stress. Eine ausgewogene, eiweißreiche und pflanzenbetonte Ernährung bleibt daher der wichtigste Schutzfaktor.

Für sportlich aktive Frauen kann es sinnvoll sein, den Nährstoffstatus regelmäßig überprüfen zu lassen, etwa bei anhaltender Müdigkeit, Konzentrationsproblemen oder erhöhter Infektanfälligkeit. In den meisten Fällen genügt jedoch eine bewusste, nährstoffdichte Ernährung, um den Bedarf zu decken.

Hormonelle Verhütung erfordert keine grundsätzliche Supplementierung; sie erfordert Bewusstsein. Wer versteht, wie eng Ernährung, Bewegung und Hormonregulation miteinander verknüpft sind, kann langfristig stabiler, leistungsfähiger und gesünder bleiben. Unabhängig von der gewählten Verhütungsmethode.

Quellen:

  1. Akinloye O, Adebayo TO, Oguntibeju OO, Oparinde DP, Ogunyemi EO. Effects of contraceptives on serum trace elements, calcium and phosphorus levels. West Indian Med J. 2011;60(3):308–315. eng.
  2. Back DJ, Orme ML. Pharmacokinetic drug interactions with oral contraceptives. Clin Pharmacokinet. 1990;18(6):472–484. eng. doi:10.2165/00003088-199018060-00004.
  3. Basciani S, Porcaro G. Counteracting side effects of combined oral contraceptives through the administration of specific micronutrients. Eur Rev Med Pharmacol Sci. 2022;26(13):4846–4862. eng. doi:10.26355/eurrev_202207_29210.
  4. Cauci S, Xodo S, Buligan C, Colaninno C, Barbina M, Barbina G, Francescato MP. Oxidative Stress Is Increased in Combined Oral Contraceptives Users and Is Positively Associated with High-Sensitivity C-Reactive Protein. Molecules. 2021;26(4). eng. doi:10.3390/molecules26041070.
  5. Chane E, Teketlew BB, Berta DM, Angelo AA, Cherie N, Tamir M, Abriham ZY, Mekuanint A. A comparative study of hormonal contraceptive use and vitamin D levels at Gondar Town 2023. Scientific Reports. 2024;14(1):22162. eng. doi:10.1038/s41598-024-73014-6.
  6. Haakenstad A, Angelino O, Irvine CMS, Bhutta ZA, Bienhoff K, Bintz C, Causey K, Dirac MA, Fullman N, Gakidou E, et al. Measuring contraceptive method mix, prevalence, and demand satisfied by age and marital status in 204 countries and territories, 1970-2019: a systematic analysis for the Global Burden of Disease Study 2019. The Lancet. 2022;400(10348):295–327. eng. doi:10.1016/S0140-6736(22)00936-9.
  7. Larrosa M, Gil-Izquierdo A, González-Rodríguez LG, Alférez MJM, San Juan AF, Sánchez-Gómez Á, Calvo-Ayuso N, Ramos-Álvarez JJ, Fernández-Lázaro D, Lopez-Grueso R, et al. Nutritional Strategies for Optimizing Health, Sports Performance, and Recovery for Female Athletes and Other Physically Active Women: A Systematic Review. Nutr Rev. 2025;83(3):e1068-e1089. eng. doi:10.1093/nutrit/nuae082.
  8. Mahmood A, Khan RI, Humayun A, Salman F, Afridi S, Anwar S. Assessing the Effect of Hormonal Contraceptives on Oxidative Stress and Lipid Metabolism in Reproductive Age Women. PJHS-Lahore. 2025:175–180. doi:10.54393/pjhs.v6i7.3319.
  9. Møller UK, Streym Sv, Jensen LT, Mosekilde L, Schoenmakers I, Nigdikar S, Rejnmark L. Increased plasma concentrations of vitamin D metabolites and vitamin D binding protein in women using hormonal contraceptives: a cross-sectional study. Nutrients. 2013;5(9):3470–3480. eng. doi:10.3390/nu5093470.
  10. Palmery M, Saraceno A, Vaiarelli A, Carlomagno G. Oral contraceptives and changes in nutritional requirements. Eur Rev Med Pharmacol Sci. 2013;17(13):1804–1813. eng.
  11. Sims ST, Kerksick CM, Smith-Ryan AE, Janse de Jonge XAK, Hirsch KR, Arent SM, Hewlings SJ, Kleiner SM, Bustillo E, Tartar JL, et al. International society of sports nutrition position stand: nutritional concerns of the female athlete. J Int Soc Sports Nutr. 2023;20(1):2204066. eng. doi:10.1080/15502783.2023.2204066.
  12. Wohlgemuth KJ, Arieta LR, Brewer GJ, Hoselton AL, Gould LM, Smith-Ryan AE. Sex differences and considerations for female specific nutritional strategies: a narrative review. J Int Soc Sports Nutr. 2021;18(1):27. eng. doi:10.1186/s12970-021-00422-8.