Hormontherapie in den Wechseljahren und Training: Potenzial, Wirkung, Evidenz

Juli 25, 2025 | FemSportsHealth

von Dr. Christine Lohr

Wie Hormontherapie die Wirkung von Training beeinflussen kann und was die aktuelle Forschung dazu sagt.

Krafttraining ist eine zentrale Strategie, um in den Wechseljahren Muskelmasse, Kraft und metabolische Stabilität zu erhalten. Parallel wird zunehmend diskutiert, ob und wie eine Hormontherapie (HRT) diese Trainingseffekte beeinflussen kann. Erste Studien zeigen differenzierte Ergebnisse – je nach Applikationsform, Zeitpunkt und Trainingsqualität. Dieser Beitrag fasst den aktuellen Forschungsstand zusammen und zeigt, was HRT im Kontext von Muskelaufbau, Regeneration und Funktion leisten kann.

Einleitung: Warum HRT und Training gemeinsam betrachten?

Krafttraining ist 2025 eine der zentralen Empfehlungen für Frauen in und nach den Wechseljahren, um Muskelmasse, Knochendichte und funktionelle Leistungsfähigkeit zu erhalten. Parallel zeigt die aktuelle Literatur, dass Menopausale Hormontherapie (MHT/HRT) eigenständig positive Effekte auf Muskel- und Knochenparameter haben kann und in Kombination mit Training zusätzliche Vorteile möglich sind2,4,5,7,10.

Damit rückt die Frage in den Mittelpunkt, wie stark HRT die Trainingseffekte tatsächlich beeinflusst. Geht es „nur“ um Symptomlinderung und Knochendichte oder verbessert HRT auch Hypertrophie, Kraftzuwächse, Regeneration, Sehnen- und Kollagenanpassungen sowie die körperliche Leistungsfähigkeit. Erste Reviews und randomisierte Studien deuten auf differenzierte Antworten hin. Effekte scheinen vom Zeitpunkt der Therapie, der Applikationsform, der Dosis, dem Trainingsdesign und den untersuchten Outcomes (z. B. BMD, Muskelmasse, Griffkraft, Ganggeschwindigkeit) abzuhängen2,4,6,7,10.

Dieser Beitrag bündelt den aktuellen Forschungsstand zu HRT und Training bei Frauen in und nach den Wechseljahren. Im Fokus stehen Muskelfunktion, Körperzusammensetzung, Knochendichte, Leistungsfähigkeit und praktische Implikationen für Trainingsplanung und Therapie. 

Was passiert ohne HRT?

Der Östrogenrückgang in den Wechseljahren beeinflusst zahlreiche biologische Prozesse, darunter auch muskuläre Struktur, Funktion und Regeneration. Studien zeigen, dass die verminderte Östrogenverfügbarkeit mit einem Rückgang der Muskelmasse (Sarcopenie), einer Abnahme der Kraft und einer eingeschränkten Regeneration assoziiert ist6. Auch die mitochondriale Funktion kann beeinträchtigt sein, was die Energiebereitstellung und die Anpassungsfähigkeit an Trainingsreize reduziert8.

Parallel dazu verändert sich die Zusammensetzung des Bindegewebes. Sehnen und kollagene Strukturen verlieren an Elastizität, was potenziell zu einer erhöhten Verletzungsanfälligkeit führt4. Die Muskelsatellitenzellen – verantwortlich für Reparatur und Anpassung – reagieren in Abwesenheit von Östrogen weniger effizient1. All diese Veränderungen können die Trainingswirkung abschwächen und führen ohne adäquate Gegenmaßnahmen langfristig zu funktionellen Einschränkungen.

Insgesamt lässt sich festhalten: Ohne Hormontherapie steigt das Risiko für Muskelabbau, Kraftverlust und eine verlangsamte Regeneration. Die Ausprägung hängt von genetischer Disposition, Ernährung, Aktivitätsniveau und Alter ab. Training bleibt wirksam, erzielt jedoch unter reduzierter Hormonwirkung mitunter geringere Effekte auf Muskelwachstum und Erhalt..

Was bewirkt HRT?

Hormontherapie kann gezielt in muskuläre und metabolische Prozesse eingreifen. Studien zeigen, dass insbesondere transdermal appliziertes Östrogen die Anpassung an Krafttraining verbessern kann. Frauen, die eine HRT erhalten, zeigen in randomisierten Interventionsstudien häufiger Zuwächse an fettfreier Masse sowie verbesserte Muskelqualität im Vergleich zu Placebo oder Nichtbehandlung2.

Auf zellulärer Ebene beeinflusst Östrogen die Aktivität von Satellitenzellen, die an Muskelreparatur und Hypertrophie beteiligt sind. Auch mitochondriale Funktionen, antioxidative Kapazität und Kollagenstoffwechsel scheinen vom Hormonstatus abzuhängen1,8. Die Wirkung ist dabei dosis- und applikationsabhängig; transdermale Präparate zeigen in der Regel stabilere Effekte auf Muskelparameter als orale, insbesondere durch den First-Pass-Effekt der Leber bei oraler Gabe9.

Neben der Muskulatur profitieren auch Sehnen- und Bindegewebsstrukturen von ausreichender Östrogenverfügbarkeit. Die Kraftübertragung im Training wird effizienter, das Verletzungsrisiko sinkt. Erste Übersichtsarbeiten und Studien an postmenopausalen Frauen mit Krafttraining zeigen, dass HRT die individuelle Reaktion auf Trainingsreize verstärken kann – unter der Voraussetzung eines gezielten Trainingsreizes7.

HRT und Training – was sagen die Studien?

Die Kombination aus Hormontherapie und Krafttraining zeigt in mehreren Studien additive oder verstärkende Effekte. Besonders in der frühen Postmenopause berichten randomisierte Studien über signifikante Zuwächse an Muskelmasse und Kraft unter transdermaler Östrogengabe. In einer 12-wöchigen Interventionsstudie führte HRT zu einer stärkeren Zunahme an fettfreier Masse im Vergleich zur Placebogruppe; zugleich war die Muskelqualität messbar verbessert2.

Weitere Studien untersuchten funktionelle Parameter wie Ganggeschwindigkeit, Timed-Up-and-Go oder Griffkraft. Während sich unter HRT bei einigen dieser Messgrößen Vorteile zeigten, blieben andere Effekte aus oder waren statistisch nicht eindeutig5,6. Der Einfluss scheint also abhängig vom gewählten Endpunkt und der Studiendauer zu sein.

Zudem gibt es Hinweise, dass HRT die Regeneration nach dem Training verbessert. Studien zeigen eine geringere Konzentration trainingsinduzierter Entzündungsmarker sowie eine raschere Normalisierung von Muskelkraft nach exzentrischer Belastung3. Auch die myogene Genexpression kann durch Östrogene positiv beeinflusst werden – ein möglicher Mechanismus für die verbesserte Anpassung an Trainingsreize4.

Ein einheitliches Bild ergibt sich jedoch nicht. Unterschiedliche Studiendesigns, Applikationsformen und Outcome-Parameter erschweren die Vergleichbarkeit. Dennoch mehren sich die Hinweise, dass HRT bei gezieltem, intensitätsgesteuertem Training die muskuläre Antwort verstärken kann, insbesondere bei frühem Therapiebeginn.

Timing, Dosis, Art – warum es Unterschiede gibt

Die Wirkung einer Hormontherapie auf Muskelanpassung ist nicht pauschal zu bewerten. Sie hängt davon ab, wann die Therapie begonnen wird, welche Substanz in welcher Dosierung verabreicht wird und auf welchem Weg sie in den Körper gelangt. Studien zeigen, dass der Effekt auf Muskelmasse und Kraftzuwachs dann am deutlichsten ist, wenn HRT innerhalb der ersten fünf Jahre nach der Menopause begonnen wird. Dieses sogenannte therapeutische Zeitfenster scheint eine Rolle für die Effizienz der hormonellen Unterstützung zu spielen9.

Auch die Applikationsform beeinflusst die physiologischen Reaktionen. Transdermale Präparate umgehen den Leberstoffwechsel, führen zu stabileren Östrogenspiegeln und zeigen in mehreren Studien günstigere Wirkungen auf Muskel- und Bindegewebeparameter als orale Formen7. In randomisierten Studien schnitten transdermale Östrogene bei identischer Trainingsbelastung messbar besser ab als Placebo. Die Unterschiede zeigten sich unter anderem in der fettfreien Körpermasse, der Muskelquerschnittsfläche und der Sehnenanpassung2.

Ein weiterer Faktor ist die Kombination mit Gestagenen. Während Östrogen allein bestimmte muskuläre Signalwege aktiviert, kann die Zugabe eines Gestagens diese Wirkung verändern. Die Datenlage hierzu ist jedoch uneinheitlich. Bisher fehlen systematische Vergleiche zwischen unterschiedlichen HRT-Kombinationen und ihrer Wirkung auf sportbezogene Parameter.

Für die Praxis bedeutet das: Ob eine Hormontherapie Trainingseffekte verstärkt, hängt von mehreren Variablen ab. Pauschale Empfehlungen sind nicht möglich. Entscheidend sind die individuelle Indikation, die Zusammensetzung der HRT und ein strukturiertes Trainingsprogramm mit klar definierten Reizen.

Was bedeutet das für die Praxis?

Training bleibt der zentrale Faktor für den Erhalt von Muskelmasse, Kraft und funktioneller Leistungsfähigkeit – unabhängig vom Hormonstatus. Eine Hormontherapie kann jedoch unter bestimmten Voraussetzungen die Wirkung von Training verstärken. Studien zeigen, dass gezielte Kraftreize in Kombination mit HRT zu messbaren Vorteilen führen können, etwa bei Muskelzuwachs, Regeneration und Bindegewebsanpassung2.

Für die Anwendung in der Praxis bedeutet das: Weder Training noch HRT ersetzen einander. Erst die Kombination schafft unter bestimmten Bedingungen einen synergistischen Effekt. Entscheidend ist, dass das Training strukturiert und progressiv angelegt ist. Submaximale Belastungen ohne adäquaten Reiz führen auch unter HRT nicht zu spürbaren Anpassungen4.

Die Auswahl der Hormontherapie sollte individuell erfolgen. Transdermale Applikation ist häufig mit stabileren Effekten auf muskuläre Parameter verbunden. Der Einstieg in die Therapie sollte zeitlich nicht zu weit vom Beginn der Menopause entfernt liegen, da späte Initiierung mit geringeren physiologischen Effekten verbunden sein kann9.

In der Beratungspraxis sollte darauf geachtet werden, dass die Entscheidung für oder gegen eine HRT immer medizinisch indiziert und individuell begleitet wird. Gleichzeitig sollte Training nicht als passive Maßnahme verstanden werden, sondern als aktiver Stimulus, der durch hormonelle Unterstützung effizienter umgesetzt werden kann.

Fazit mit Take-Home-Message

Hormontherapie kann bei postmenopausalen Frauen die Anpassung an gezieltes Krafttraining unterstützen. Die Studienlage zeigt positive Effekte auf Muskelmasse, Kraftentwicklung, Regeneration und Bindegewebe – vorausgesetzt, die Therapie wird individuell abgestimmt und mit einem strukturierten Trainingsprogramm kombiniert. Dabei gilt: Training ist die Grundlage, HRT ein möglicher Verstärker.

Die Effekte sind nicht bei allen Frauen gleich ausgeprägt. Applikationsweg, Dosierung, Therapiebeginn und Trainingsqualität spielen eine zentrale Rolle. Eine pauschale Empfehlung gibt es nicht. Aber: Wer trainiert, profitiert in jedem Fall. Und wer sich in der Menopause für eine HRT entscheidet, kann durch ein gezieltes Trainingskonzept zusätzliche physiologische Vorteile erzielen.

Quellen:

  1. Collins BC, Arpke RW, Larson AA, Baumann CW, Xie N, Cabelka CA, Nash NL, Juppi H-K, Laakkonen EK, Sipilä S, et al. Estrogen Regulates the Satellite Cell Compartment in Females. Cell Reports. 2019;28(2):368-381.e6. eng. doi:10.1016/j.celrep.2019.06.025.
  2. Dam TV, Dalgaard LB, Ringgaard S, Johansen FT, Bisgaard Bengtsen M, Mose M, Lauritsen KM, Ørtenblad N, Gravholt CH, Hansen M. Transdermal Estrogen Therapy Improves Gains in Skeletal Muscle Mass After 12 Weeks of Resistance Training in Early Postmenopausal Women. Frontiers in Physiology. 2020;11:596130. eng. doi:10.3389/fphys.2020.596130.
  3. Dieli-Conwright CM, Spektor TM, Rice JC, Sattler FR, Schroeder ET. Influence of hormone replacement therapy on eccentric exercise induced myogenic gene expression in postmenopausal women. Journal of Applied Physiology. 2009;107(5):1381–1388. eng. doi:10.1152/japplphysiol.00590.2009.
  4. Hansen M, Skovgaard D, Reitelseder S, Holm L, Langbjerg H, Kjaer M. Effects of estrogen replacement and lower androgen status on skeletal muscle collagen and myofibrillar protein synthesis in postmenopausal women. The Journals of Gerontology Series A: Biological Sciences and Medical Sciences. 2012;67(10):1005–1013. eng. doi:10.1093/gerona/gls007.
  5. Macêdo PRS, Macêdo SGGF, Velez MP, Câmara SMA. Menopause hormone therapy and physical performance: The Canadian Longitudinal Study on Aging. Maturitas. 2024;184:107959. eng. doi:10.1016/j.maturitas.2024.107959.
  6. Österdahl MF, Ni Lochlainn M, Welch C, Rymer J, Ashworth M, Whitney J, Duncan EL, Steves CJ. Systematic review on the relationship between menopausal hormone replacement therapy, sarcopenia, and sarcopenia-related parameters. Maturitas. 2025;199:108609. eng. doi:10.1016/j.maturitas.2025.108609.
  7. Platt O, Bateman J, Bakour S. Impact of menopause hormone therapy, exercise, and their combination on bone mineral density and mental wellbeing in menopausal women: a scoping review. Front Reprod Health. 2025;7:1542746. eng. doi:10.3389/frph.2025.1542746.
  8. Torres MJ, Kew KA, Ryan TE, Pennington ER, Lin C-T, Buddo KA, Fix AM, Smith CA, Gilliam LA, Karvinen S, et al. 17β-Estradiol Directly Lowers Mitochondrial Membrane Microviscosity and Improves Bioenergetic Function in Skeletal Muscle. Cell Metabolism. 2018;27(1):167-179.e7. eng. doi:10.1016/j.cmet.2017.10.003.
  9. Vollrath S, Stute P. Menopause und Sport. J. Gynäkol. Endokrinol. CH. 2024;27(1):14–23. doi:10.1007/s41975-024-00338-x.
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