Protein im Ausdauersport. Was aktive Frauen wissen sollten

Juli 5, 2025 | FemSportsHealth

von Dr. Christine Lohr

Wissenschaftlich fundierte Empfehlungen zur Proteinzufuhr für aktive Frauen, mit Fokus auf Ausdauertraining, Zyklus und Regeneration.

Protein gilt oft als Nährstoff für den Muskelaufbau im Kraftsport. Im Ausdauersport hingegen wird seine Bedeutung noch immer unterschätzt und das im Besonderen bei Frauen. Dabei zeigen aktuelle Daten, dass Protein auch hier zentral für Regeneration, Anpassung und Leistungsfähigkeit ist. Eine neue Übersichtsarbeit liefert gezielte Empfehlungen für sportlich aktive Frauen.

Einleitung

Protein wird häufig mit Krafttraining und Muskelaufbau in Verbindung gebracht. Im Ausdauersport hingegen steht oft die Kohlenhydratzufuhr im Vordergrund. Doch aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen: Auch Läuferinnen und andere Ausdauersportlerinnen profitieren in mehrfacher Hinsicht von einer gezielten Proteinzufuhr. Regeneration, hormonelle Balance, Muskelanpassung und langfristige Leistungsfähigkeit hängen wesentlich davon ab, ob der Körper ausreichend mit Protein versorgt ist.

Eine aktuelle systematische Übersichtsarbeit von3 bringt hier Klarheit. Die Autor:innen fassen aktuelle Studien zu Ernährung, Leistungsfähigkeit und Gesundheit aktiver Frauen zusammen, mit besonderem Blick auf Geschlecht, Lebensphase und Belastung. Ihre Empfehlungen zur Proteinzufuhr weichen deutlich von älteren Standardwerten ab. Der Bedarf wird höher angesetzt, die Verteilung über den Tag betont und das nicht nur im Kontext von Krafttraining, sondern ausdrücklich auch für Ausdauersportarten wie Laufen oder Radfahren.

Was sagt die aktuelle Studienlage?

Die systematische Review3 basiert auf der Auswertung von 71 wissenschaftlichen Arbeiten. Sie liefert praxisrelevante Empfehlungen für sportlich aktive Frauen. Die zentrale Aussage: Der Proteinbedarf im Ausdauersport wird nach wie vor unterschätzt – insbesondere bei Frauen.

Die Autor:innen empfehlen für aktive Frauen eine tägliche Proteinzufuhr von 1,6 bis 2,2 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht, abhängig von Trainingsintensität, Energieverfügbarkeit und hormoneller Situation. Für eine Frau mit 60 Kilogramm Körpergewicht entspricht das einer täglichen Aufnahme von 96 bis 132 Gramm Protein. Damit liegt der Bedarf deutlich über den üblichen Referenzwerten von 0,8 g/kg, die sich auf eine inaktive Allgemeinbevölkerung beziehen.

Neben der Gesamtmenge betonen die Autor:innen auch das Timing und die Verteilung:

  • Idealerweise sollte Protein über den Tag verteilt aufgenommen werden, in vier bis fünf Portionen zu je 0,3 bis 0,4 g/kg Körpergewicht.
  • Direkt nach intensiven Einheiten wie Intervallläufen oder langen Ausdauerbelastungen empfehlen sie eine Zufuhr von etwa 0,5 g/kg Körpergewicht, kombiniert mit Kohlenhydraten.

Viele dieser Empfehlungen stützen sich auf Studien, die mit sogenannten stabilen Isotopen durchgeführt wurden. Dabei werden einzelne Aminosäuren mit einer markierten, aber nicht radioaktiven Variante versehen. Im Körper lässt sich dann genau messen, wie viel Protein aufgenommen, eingebaut oder abgebaut wird1. Diese Methode gilt heute als Goldstandard zur Bestimmung der Muskelproteinsynthese unter realen Bedingungen.

Warum Frauen besonders profitieren

Frauen haben in verschiedenen Lebensphasen veränderte physiologische Voraussetzungen, die den Proteinbedarf und die muskuläre Regeneration beeinflussen. Hormonelle Schwankungen im Menstruationszyklus, die Umstellung in der Perimenopause oder eine insgesamt niedrigere Energiezufuhr im Vergleich zu Männern wirken sich direkt auf den Proteinstoffwechsel aus.

Besonders in der zweiten Zyklushälfte, der sogenannten Lutealphase, ist die Muskelproteinsynthese reduziert. Der Körper reagiert in dieser Phase sensibler auf eine unzureichende Nährstoffzufuhr. Eine gezielte Proteinzufuhr kann helfen, katabolen Prozessen vorzubeugen und die Regeneration zu unterstützen. Auch in der Perimenopause zeigen Studien Hinweise auf einen eingeschränkten muskulären Aufbau, insbesondere bei gleichzeitig geringer Energieverfügbarkeit.

Die Übersichtsarbeit3 weist zudem darauf hin, dass viele Frauen im Alltag weniger Protein zuführen als empfohlen. Gründe sind unter anderem eine kohlenhydratdominierte Ernährung, restriktive Diäten oder eine generell zu niedrige Kalorienzufuhr. In der Folge kann es zu einem Zustand der Low Energy Availability (LEA) kommen – ein Energiemangel, bei dem dem Körper nicht genügend Substrat für Leistungsanpassung und Grundfunktionen zur Verfügung steht2.

Eine bedarfsgerechte, gut verteilte Proteinzufuhr ist in solchen Situationen besonders relevant. Sie trägt dazu bei, Muskelmasse zu erhalten, Erholungsprozesse zu fördern und die physiologische Regulation zu stabilisieren.

Wie sich Proteinbedarf im Alltag umsetzen lässt

Die Empfehlungen aus der Review lassen sich gut in den Alltag integrieren – vorausgesetzt, Protein wird nicht als Einmalportion nach dem Training verstanden, sondern als durchgängiger Bestandteil jeder Hauptmahlzeit.

Demnach ergibt sich für eine 60 Kilogramm schwere Ausdauersportlerin ein täglicher Bedarf von etwa 96 bis 132 Gramm Protein. Um diesen Wert zu erreichen, empfehlen die Autor:innen eine Verteilung auf vier bis fünf Portionen à 0,3 bis 0,4 g/kg Körpergewicht. Nach dem Training sollte zusätzlich etwa 0,5 g/kg zugeführt werden – idealerweise in Kombination mit einer moderaten Kohlenhydratmenge.

Beispielhafte Struktur für einen Trainingstag:

Zeitpunkt Empfehlung Proteinmenge (bei 60 kg)
Frühstück 1 Portion hochwertiges Protein ca. 18–24 g
Snack/Vormittag je nach Bedarf optional (10–15 g)
Mittagessen Proteinquelle kombiniert mit Ballaststoffen ca. 18–24 g
Post-Workout schnell verfügbare Kombination Protein/KH ca. 30 g
Abendessen vollwertige Proteinportion ca. 20–30 g

 

Wichtig ist die Qualität der Proteinquellen: Eine Kombination aus tierischen und pflanzlichen Lebensmitteln verbessert das Aminosäureprofil. Gut geeignet sind zum Beispiel Ei, Fisch, Tofu, Tempeh, Hüttenkäse, Quark, Joghurt, Linsen oder fermentierte Sojaprodukte.

Gerade bei pflanzenbasierter Ernährung ist auf eine ausreichende Menge und Kombination verschiedener Proteinquellen zu achten. Ergänzend können qualitativ hochwertige Proteinshakes sinnvoll sein – insbesondere direkt nach intensiven Einheiten oder wenn der Alltag wenig Zeit für Zubereitung lässt.

Fazit

Auch im Ausdauersport spielt Protein eine zentrale Rolle – für Regeneration, Anpassungsprozesse und langfristige Gesundheit. Frauen haben dabei spezifische Anforderungen: hormonelle Schwankungen, geringere Energieverfügbarkeit und zyklusbedingte Veränderungen im Stoffwechsel beeinflussen den Proteinbedarf messbar.

Die aktuelle Review3 empfiehlt für aktive Frauen eine tägliche Proteinzufuhr von 1,6 bis 2,2 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht. Entscheidend ist dabei nicht nur die Gesamtmenge, sondern auch die Verteilung über den Tag und die gezielte Zufuhr nach dem Training.

Eine strukturierte Mahlzeitenplanung, die Protein als festen Bestandteil integriert, ist praxisnah umsetzbar – unabhängig vom Alter, vom Trainingsziel oder vom Ernährungsstil. Wer regelmäßig läuft oder Ausdauertraining betreibt, sollte Protein nicht vernachlässigen. Es ist ein Schlüssel zur Belastbarkeit.

Quellen:

  1. Calder PC, Deutz NEP. Measuring muscle protein synthesis in humans and the influence of nutritional state. Clinical Science. 2022;136(19):1425–1431. eng. doi:10.1042/CS20211171.
  2. Gallant TL, Ong LF, Wong L, Sparks M, Wilson E, Puglisi JL, Gerriets VA. Low Energy Availability and Relative Energy Deficiency in Sport: A Systematic Review and Meta-analysis. Sports Med. 2025;55(2):325–339. eng. doi:10.1007/s40279-024-02130-0.
  3. Larrosa M, Gil-Izquierdo A, González-Rodríguez LG, Alférez MJM, San Juan AF, Sánchez-Gómez Á, Calvo-Ayuso N, Ramos-Álvarez JJ, Fernández-Lázaro D, Lopez-Grueso R, et al. Nutritional Strategies for Optimizing Health, Sports Performance, and Recovery for Female Athletes and Other Physically Active Women: A Systematic Review. Nutr Rev. 2025;83(3):e1068-e1089. eng. doi:10.1093/nutrit/nuae082.