Zugelassen oder individuell gemischt? Bioidentische Hormontherapie im Vergleich

Juli 29, 2025 | FemSportsHealth

von Dr. Christine Lohr

Einordnung bioidentischer HRT: Evidenz, Applikation, Risiken

Bioidentische Hormone werden häufig als natürliche Alternative zur klassischen Hormontherapie dargestellt. Doch was bedeutet bioidentisch eigentlich und welche Rolle spielen Herstellungsweg, Zulassung und Applikationsform? Der Beitrag gibt einen evidenzbasierten Überblick über Definition, Anwendung und Risiken. Im Fokus stehen zugelassene Präparate, individuelle Mischungen (cBHRT) und aktuelle Empfehlungen zur sicheren Anwendung in der Lebensmitte.

Was sind bioidentische Hormone?

Der Begriff bioidentisch wird im Zusammenhang mit Hormontherapie häufig verwendet, ist aber medizinisch nicht eindeutig definiert. Gemeint sind in der Regel Hormone, deren molekulare Struktur identisch mit den im menschlichen Körper vorkommenden Hormonen ist. Beispiele sind 17β-Estradiol und mikronisiertes Progesteron. Diese Wirkstoffe sind in vielen zugelassenen Arzneimitteln enthalten und gut untersucht3,6.

Bioidentische Hormone werden synthetisch hergestellt. Häufig dienen pflanzliche Vorstufen wie Diosgenin aus der Yamswurzel oder Phytosterole wie Stigmasterol aus Sojabohnen als Ausgangsstoffe der industriellen Synthese. Diese Vorstufen sind selbst nicht hormonell aktiv. Entscheidend für die klinische Anwendung sind die chemische Identität mit den endogenen Hormonen, die pharmazeutische Qualität, die Bioverfügbarkeit und die Evidenzlage3,6.

Zugelassene Präparate versus compounded BHRT

Individuelle Mischung ≠ geprüfte Therapie

Zugelassene Hormonpräparate unterliegen in Europa und den USA strengen regulatorischen Vorgaben. Ihre Zusammensetzung, Dosierung, Sicherheit und Wirksamkeit wurden in klinischen Studien geprüft. Dazu zählen auch bioidentische Wirkstoffe wie 17β-Estradiol und mikronisiertes Progesteron, sofern sie in standardisierter Form vorliegen und als Arzneimittel zugelassen sind3.

Davon zu unterscheiden ist die sogenannte compounded bioidentical hormone therapy (cBHRT). Hierbei handelt es sich um individuell hergestellte Rezepturen, die meist in Apotheken auf Grundlage von Speichel- oder Blutwerten angefertigt werden. Diese Präparate unterliegen weder einer systematischen Qualitätskontrolle noch einem evidenzbasierten Zulassungsverfahren. Internationale Fachgesellschaften wie NAMS und ACOG sehen in der Verwendung von compounded HRT ein erhöhtes Risiko für Über- oder Unterdosierung, Nebenwirkungen und unklare Wirksamkeit3–5. Diese Einschätzung ist mit der Logik des deutschen Arzneimittelrechts vereinbar, das für zugelassene Fertigarzneimittel hohe Anforderungen an Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit stellt1. Im deutschsprachigen Raum wird in Übersichtsarbeiten eine inhaltlich vergleichbare Linie vertreten7.

Applikationsweg: transdermal oder oral?

Die Wirkung und das Sicherheitsprofil einer Hormontherapie hängen nicht nur vom Wirkstoff, sondern auch von der Applikationsform ab. Für Estradiol stehen sowohl orale als auch transdermale Präparate zur Verfügung – etwa in Form von Tabletten, Pflastern, Gelen oder Sprays. Mikronisiertes Progesteron ist in Deutschland primär oral verfügbar.

Der transdermale Applikationsweg gilt als besonders günstig in Bezug auf das Risiko venöser Thromboembolien. Studien zeigen, dass transdermal appliziertes Estradiol das Gerinnungssystem weniger beeinflusst als orale Präparate und daher insbesondere bei Risikopersonen (z. B. mit erhöhtem BMI, Migräne mit Aura oder familiärer Vorbelastung) bevorzugt werden sollte2–4.

In Bezug auf Lipidstoffwechsel, Leberpassage und Insulinsensitivität kann transdermales Estradiol ebenfalls vorteilhafter sein, da es den First-Pass-Effekt der Leber umgeht5. Entscheidend ist jedoch immer die individuelle Indikation und ärztliche Begleitung.

Bioidentische Hormone und Bewegung – ein ergänzender Aspekt

Die Kombination aus Hormontherapie und gezieltem Krafttraining kann insbesondere in der Lebensmitte unterstützend wirken. Studien weisen darauf hin, dass bioidentische HRT – je nach Dosierung, Form und individueller Ausgangslage – Effekte auf Muskelmasse, Knochendichte, Insulinsensitivität und Regeneration haben kann6.

Eine ausführliche wissenschaftliche Einordnung zu diesem Thema findet sich im Beitrag:
„Hormontherapie in den Wechseljahren und Training: Potenzial, Wirkung, Evidenz“.

Fazit

Bioidentische Hormone sind in zugelassener Form gut untersucht und stellen eine wirksame Option der menopausalen Hormontherapie dar. Entscheidend ist nicht die pflanzliche Ausgangsbasis, sondern die chemische Identität des Wirkstoffs, seine pharmazeutische Qualität und die wissenschaftliche Evidenz. Mischpräparate außerhalb der Arzneimittelzulassung sind kritisch zu bewerten, da sie weder standardisiert noch kontrolliert sind. Der Applikationsweg beeinflusst die Wirkung ebenso wie das individuelle Risikoprofil. Eine evidenzbasierte Aufklärung und ärztlich begleitete Entscheidung bleiben zentral, insbesondere bei der Kombination mit Training, Ernährung und anderen Lebensstilfaktoren.

 

 

Quellen:

  1. Arzneimittelgesetz (AMG) §4. [place unknown]: [publisher unknown] [accessed 2025 Jul 29]. https://​www.bfarm.de​/​DE/​Arzneimittel/​Zulassung/​Folgeverfahren/​Ergebnisberichte-klinischer-Pruefungen/_​artikel.html.
  2. Canonico M, Plu-Bureau G, Lowe GDO, Scarabin P-Y. Hormone replacement therapy and risk of venous thromboembolism in postmenopausal women: systematic review and meta-analysis. BMJ. 2008;336(7655):1227–1231. eng. doi:10.1136/bmj.39555.441944.BE.
  3. Faubion, Stephanie S. MD, MBA, FACP, NCMP, Crandall, Carolyn J. MD, MS, MACP, NCMP, FASBMR, Davis, Lori DNP, FNP-C, NCMP, El Khoudary, Samar R. PhD, MPH, FAHA, Hodis HNM, Lobo RAM, Maki PMP, Manson, JoAnn E. MD, DrPH, MACP, NCMP, Pinkerton, JoAnn V. MD, FACOG, NCMP, Santoro NFM, et al. The 2022 hormone therapy position statement of The North American Menopause Society. Menopause. 2022;29(7):767–794. eng. doi:10.1097/GME.0000000000002028.
  4. Mohammed K, Abu Dabrh AM, Benkhadra K, Al Nofal A, Carranza Leon BG, Prokop LJ, Montori VM, Faubion SS, Murad MH. Oral vs Transdermal Estrogen Therapy and Vascular Events: A Systematic Review and Meta-Analysis. J Clin Endocrinol Metab. 2015;100(11):4012–4020. eng. doi:10.1210/jc.2015-2237.
  5. National Academies of Sciences, Engineering, and Medicine, Health and Medicine Division, Board on Health Sciences Policy, Committee on the Clinical Utility of Treating Patients with Compounded Bioidentical Hormone Replacement Therapy, Leigh Miles Jackson, Ruth M. Parker, Donald R. Mattison. The Use of Compounded Bioidentical Hormone Therapy. In: National Academies of Sciences, Engineering, and Medicine, Division HaM, Policy, Board on Health Sciences, Therapy, Committee on the Clinical Utility of Treating Patients with Compounded Bioidentical Hormone Replacement, Jackson LM, Parker RM, Mattison DR, editors. The Clinical Utility of Compounded Bioidentical Hormone Therapy: A Review of Safety, Effectiveness, and Use. [place unknown]: National Academies Press (US); 2020. https://​www.ncbi.nlm.nih.gov​/​books/​NBK562886/​.
  6. Platt O, Bateman J, Bakour S. Impact of menopause hormone therapy, exercise, and their combination on bone mineral density and mental wellbeing in menopausal women: a scoping review. Front Reprod Health. 2025;7:1542746. eng. doi:10.3389/frph.2025.1542746.
  7. Vollrath S, Stute P. Menopause und Sport. J. Gynäkol. Endokrinol. CH. 2024;27(1):14–23. doi:10.1007/s41975-024-00338-x.